Stunden saß er nun schon in der dunklen Kammer mit den vergitterten Fenstern. Die Schergen des Leiters hatten ihn gut fixiert. Die Hände waren hinter dem Rücken mithilfe von Schellen an die Wand gekettet worden und so fixiert, dass an Schlaf kaum zu denken war. Durch die vergitterte Öffnung in der Wand konnte Hildebrandt hinaus auf den Übungsplatz schauen, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte und so wurde ihm wenigstens während der restlichen Sonnenstunden etwas Unterhaltung zuteil, als er einen Mann, vermutlich ein Karthager schätzte er, und eine recht ansehnliche Frau, die wohl einem der südgermanischen Stämme entstammen musste beobachten konnte, wie sich sich der Angriffe eines massigen Nordmanns mittels Holzschwertern erwehrten. Ein wirklich unterhaltsamer Übungskampf dem Hildebrandt sicherlich applaudiert hätte, wenn er seine Hände hätte bewegen können.
Doch das war bereits Stunden her. Die Sonne war untergegangen und seit man ihn hier abgeliefert hatte, schien es niemand mehr für notwendig zu halten, sich weiter um ihn zu kümmern. Einzig die Ratten konnte er im Mondschein bei ihren Aktivitäten noch beobachten. EIn leises Schnarchen vernahm Hildebrandt außerdem über den Hof. 'Da hat jemand einen gesunden Schlaf.' dachte er so bei sich. Wieder einmal waren seine Hände eingeschlafen. Um die Durchblutung anzuregen hätte er an den Fesseln ziehen müssen, doch so würde er auch seine Gelenke aufreiben. Die Qual der Wahl. Sich der Ironie seiner Situation bewusst, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Dieses Grinsen war es auch, was seine Offiziere an ihm so gehasst hatten. Es gab einfach keine Situation, die ihm die Launer verderben konnte.
Eine Weile saß er noch so da, hörte seinem Magen zu, wie er knurrte. Langsam schlossen sich die Augen und er blickte über die bewaldeten Täler seiner Heimat, die er nun so lange schon nicht mehr gesehen hatte. Er saß auf dem Rücken seines Pferdes, eines stolzen Rappen aus Süditalien und ritt eine gepflasterte Straße entlang. Vor ihm lag eine römische Befestigung. Sich wundernd drehte er sich um und sah, in wessen Begleitung er ritt. Hinter ihm wehte ein blauer Umhang und dahinter ritten hunderte sächsischer Krieger mit rollenden Augen, offenen Mündern, denen Kriegsgeschrei entfuhr und ließen die Schwerter kreisen.
Der Morgen musste gekommen sein, die Sonne stach ihm in die Augen, draußen herrschte schon Betrieb und seine Rippen schmerzten von dem Stiefel, mit dem man ihn geweckt hatte. "Steh auf, du Abschaum!" schrie ihn eine rauhe Stimme in Lateinischer Sprache mit einem seltsamen Akzent an. Hildebrandt wagte es, die Augen ein bisschen weiter zu öffnen und kämpfte gegen den Schmerz, den das Licht verursachte. "Aufstehn hab ich gesagt!" Klang die Aufforderung erneut. Hildebrandt wollte dem Sprecher schon wütend antworten, doch seinem Hals entfuhr nur ein erbarmungswürdiges Krächzen. Kein Vergleich zu der Stimme, mit der er seine Männer über das Schlachtfeld kommandiert hatte. Also stand er doch auf und schaffte es nach einigem Blinzeln doch noch, die Augen ganz zu öffnen. Nun konnte er auch erkennen, wer ihn da angeschnauzt hatte. Es war ein riesiger ölig glänzender und pechschwarzer Nubier. Ohne Haare und mit einem schneeweiß blitzenden Lächeln, das Hildebrandt hämisch ansprang. "Komm schon. Du hast heute deinen Kampf!" sagte der Nubier. Hildebrandt hatte mit vielem gerechnet, aber dass man ihn so schnell loswerden wollte. Er war doch überrascht. "Wer ist mein Gegner?" konnte doch fragen, nachdem er sich den Hals freigeräuspert hatte. Der Nubier drehte sich zu ihm herum und grinste ihn noch hämischer an. "Gegner? Du bist Futter für die Picten." und ging weiter. "Picten? Diese Barbaren aus Britannien? Kenn ich schon." Hidebrandt fragte sich, gegen wieviele dieser Männer man ihn kämpfen lassen wollte. "Was gibts denn zu essen, mein Großer?" Hildebrandt ging etwas schneller und tippte den Nubier mit seinen gefesselten Händen immer wieder an. Der Riese musste doch aus der Ruhe gebracht werden können. Als der Schwarze sich umdrehte, riss Hildebrandt mit aller verbliebenen Kraft an der Kette. Der Nubier war so überrascht, dass der Plan des Germanen aufging und die Kette sich klirrend aus der Hand des Afrikaners löste. Hildebrandt nutzte die Gelegenheit und den Schwung aus um die Kette direkt ins Gesicht seines Bewachers zu dreschen. Die Kette traf und mit einem stumpfen Geräusch landete der Nubier mit dem Gesicht auf dem Boden wo er still liegenblieb. Hildebrandt drückte sich gegen die Wand des Ganges. Vor ihm sah er Licht und er vermutete, dies wäre der Übungsplatz. Er schlich nach vorn um seine Augen sich an das Licht gewöhnen zu lassen ohne selbst von dort aus gesehen werden zu können. Dieser Gang schien kaum benutzt zu werden, denn der Kerker der Schule war kaum ausgelastet. Scheinbar war es ein neues Vergnügen der gelangweilten römischen Jugend, sich als Gladiatoren einen Namen zu machen anstatt in die Legion einzutreten.
Hildebrandt lag in den Schatten und besah sich die Vorgänge auf dem Übungsplatz. An Flucht war nicht zu denken. Seine Gegner mussten bereits dort sein also wartete er um sie zu überrraschen und dem Leiter der Schule einebeeindruckende Vorstellung liefern zu können.